Kunstsommer Irsee: Meisterklasse Textil |
Zurück braucht lange
Ich bin zurück vom Kunstsommer in Irsee und irgendwie doch auch nicht.
Es waren sehr dichte, intensive Tage. Zu berichten gäbe es Vieles.
Viel auch das, was mir durch den Kopf geht.
Deshalb, in Häppchen, immer mal wieder ein paar Gedanken dazu.
Der Kunstsommer ist eine ganz besondere Veranstaltung. Die interdisziplinäre Woche lässt "Kunst leben" - wie das Motto der Schwabenakademie Irsee heißt. Nebst meiner ureigensten Disziplin gab es Poesie, Malerei, Zeichnung, Dramatik, Fotografie, Tanz, Musik... was will man noch mehr?
Viele Sichtweisen
Was konkret bedeutete, dass in der Meisterklasse mehr passierte, als in den "normalen" Fortbildungen. Man kann über den Tellerrand gucken, die Komfortzonen verlassen (zumindest hat man die Gelegenheit dazu), und - angeregt durch die Meisterinnen und Meister der Klassen auf hohem Niveau und mit Rückmeldung arbeiten.
6 Tage lang arbeiteten meine 12 Teilnehmerinnen mit mir zusammen, die räumlichen und organisatorischen Bedingungen traumhaft, die Hitze erträglich im Keller der Druckwerkstatt.
Das Thema:
Fragmente
Faszination des Unvollständigen - Eine Ahnung vom Ganzen
liegt ja angesichts meiner eigenen Arbeiten nahe.
Am ersten Tag: Annäherung ans Thema.
Interessant, was die Teilnehmerinnen unter Fragmenten verstanden und an Objekten, Fundstücken und Erinnerungen mitbrachten. Um manche Objekte herum gab es schon Erinnerungen oder wunderbare Geschichten, wie zB. das vom Auto überfahrene Handy und damit verbunden das Nachdenken über unsere Art der Kommunikation. Oder die aufgelesenen zerfledderten Baustellenreste mit ihrer übersehenen eigenen Ästhetik. Andere Objekte verrieten nichts über ihre Herkunft und liessen dem bildhaften erzählerischen Talent freien Lauf, wohin schwimmt ein Schwemmholz, oder was macht eine Spiegelscherbe mit Farbe?. Wieder andere hatten politische oder historische Bezüge wie zB. aufgelesene Papiere aus Tibet oder Urkunden vom Flohmarkt, die nur Bruchstücke von Biografien enthüllten.
Während der ersten beiden Tage entwickelten wir Assoziationen, zeichnerisch, textil, oberflächenspezifisch. Es zieht sich für mich in vielen Fortbildungen durch wie ein roter Faden: nicht allen Textilfrauen liegt die langsame Annäherung - manch eine Teilnehmerin würde gerne gleich loslegen und assoziativ-spontan sofort die erste Idee in Textil umsetzen. Ich halte intuitives Arbeiten schon für wichtig, aber wenn es das alleinige Zugangsmerkmal ist, wird es oft ohne Fokus oder Verdichtung klischeehaft umgesetzt. Deshalb halte ich viel von textilem Brainstorming, um den interessantesten Ideen erstmal eine Chance zum Kommen zu geben. Verwerfen können wir immer...So spiele ich zu Beginn gerne das enfant terrible und provoziere zu mehr Ideen. "Ich bremse", frage ab und zu nach mehr als einer konträren Position und ermutige zum Herumspielen und Experimentieren in kleinem Format. Es ist das tiefere "Durchdringen" der Thematik. Betrachten von allen Seiten ergibt viele Perspektiven. Wir haben immer die Chance zur Serie. Die Gefahr, alles in eins zu packen verringert sich.
Natürlich fragt man sich im Laufe der Jahre, woher dies gerade in der Textilkunst kommt. Wir haben viel darüber gesprochen und ich komme immer mehr zu der Erkenntnis, dass die klassischen Textil-Fortbildungen vor allem die handwerklichen Techniken (Wie bekomme ich Fotos auf den Stoff?) und deren Weiterentwicklung in den Vordergrund stellen, nicht aber die künstlerischen Prozesse reflektieren. Im Meisterkurs waren die technischen Kenntnisse exzellent, also kein Problem, Ideen sofort technisch umzusetzen.
Es war mir zu Beginn der Woche nicht klar, wie sehr die Themenwahl und das textile Arbeiten ein zweites latent vorhandenes Thema mit sich brachte: das Thema ZEIT - Geschwindigkeit - Beschleunigung - Verlangsamung usw.
Für manche Teilnehmerin war es fast nicht auszuhalten, im Fragmentarischen (zunächst) zu verharren und eben diese Fragmente verlangsamt auf ihr Potential zu prüfen und damit zu spielen.
Teile "sollen" fertig werden. Sonst macht sich Unruhe breit.
Eine Meisterklasse ist eine unglaublich kostbare Angelegenheit, es war genügend Zeit neben der künstlerischen Praxis auch theoretisch (fast schon phänomenologisch) über das Textile zu philosophieren (zB. das Phänomen, daß unsere Werke so häufig einen "Anfass-Impuls" beinhalten) - das ist eher selten.Und ohne es zu planen, brachte der zweite Tag dies mit sich.
Doch dazu irgendwann mehr.
Das klingt nach einer sehr intensiven Woche! Und zwischendurch mußte ich schwer grinsen beim lesen (..nicht allen Textilfrauen liegt die langsame Annäherung ..jaja)
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